Berührt zu werden ist das Wesen der Lebendigkeit
Uwe Kranners Essay zu Peters Ausstellung The silent view
Menschenbilder, spontan eingefangene Straßenszenen, die Augen in fröhlichen, melancholischen, nachdenklichen und ab und an koketten Blicken meistens jenem zugewandt, das Peters Photographie vor dem Betrachter verbirgt. Was die Bilder vermitteln, ist also nicht das worauf die Protagonisten von der Straße ihre Blicke lenken. Nur wenige dieser Szenen lösen sich vor den Augen des Betrachters auf, vielmehr evozieren sie Fragen deren Antworten ich versuche in den Blicken der im Fokus stehenden Personen zu erahnen.
Seine Geschichten vom urbanen Leben auf den Straßen erzählt Peter in schwarz-weiß gehalten, ungeschminkt und authentisch wirken die Gesichter, berührend deren tiefgründige Blicke. Als Betrachter werde ich in den Bann dieser Gesichter gezogen, ohne dass diese wiederum mich je eines Blickes würdigen. Und gerade weil sie sich des direkten Ansehens entziehen, beginne ich viele von ihnen unversehens in mein Herz zu schließen. Möchte auch gerne die Freude, die Weltverlorenheit oder die Verliebtheit spüren, die ihre Blicke zum Ausdruck bringen.
Unaufgeregt und gerade deshalb so eindeutig, zeichnen die Gesichter in den Photographien den Reichtum menschlicher Emotionen, unausgesprochener Sehnsüchte und vielfältiger Stimmungen. Vielleicht ist es ja das: es ist nicht wichtig „was es ist“, was all diese Menschen in den Bildern genau betrachten, sondern vielmehr, was es durch ihr Betrachten mit ihnen macht und in ihnen hervorruft.
Viele dieser Bilder erinnern mich an ein Gedicht von Rainer Maria Rilke:
Wie soll ich meine Seele halten, dass
sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie
hinheben über dich zu andern Dingen?
Ach gerne möcht' ich sie bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen
an einer fremden, stillen Stelle, die
nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen…
Berührt zu werden ist das Wesen der Lebendigkeit. Peters Bilder berühren und widersprechen so eindringlich der Idee Rilkes (die er gegen Ende des Gedichts selbst verwirft) seine Seele an einer fremden, stillen Stelle unterzubringen, auch wenn es manchmal ein leises Bedürfnis dazu gibt.